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aus der Märkischen Oderzeitung vom 01.03.2013:

„Der Obus ist wie eine Stadtbahn”

Initiative Trolleymotion will das Beispiel Eberswalde anderen Städten schmackhaft machen

Von Andreas Wendt

Berlin (MOZ) Mit Unterstützung der Barnimer Busgesellschaft in Eberswalde will die Initiative Trolleymotion mit Sitz in der Schweiz elektrisch betriebene Stadtbussysteme näher in den Fokus des öffentlichen Nahverkehrs rücken. Obusse seien eine gute Alternative zu dieselbetriebenen Fahrzeugen, sagte der Präsident des Verbandes, Daniel Steiner, am Donnerstag. In Deutschland setzen nur drei Städte auf Obusse.

Bremen muss sich entscheiden. „Noch gelten wir als Tram-Stadt”, sagt Michael Glotz-Richter, Referent des Verkehrssenators. Doch spätestens in fünf Jahren müsse ein Teil der Bus- und Straßenbahnflotte erneuert werden. Nun liebäugeln die Bremer mit dem Obus, auch Trolley genannt. „Unsere bisherigen Busse verbraten acht Millionen Liter Dieselkraftstoff im Jahr”, stöhnt der Referent für nachhaltige Mobilität. Kommen neue, müssten diese mindestens zwölf Jahre halten - „und die Dieselpreise steigen immer weiter”.

Deshalb blickt Glotz-Richter neugierig in Richtung Osten. Nach Leipzig zum Beispiel, wo die Verkehrsplaner in naher Zukunft Trolleybusse fahren lassen wollen, die die vorhandene Oberleitung der Straßenbahn nutzen können. „Nur gibt es für Trolleybusse keine Fördermittel, für Hybridfahrzeuge schon”, benennt Christiane Wagner von der Verkehrs-Consult Leipzig GmbH das Problem. Noch interessanter ist für den Bremer Verkehrsexperten Eberswalde, eine von drei deutschen Städten, in denen die berühmten Obusse längst zum Stadtbild gehören. Sie bringen der Barnimer Busgesellschaft in der 42000 Einwohner-Stadt 42 Prozent aller Einnahmen. Zwei Linien befördern auf einem 18 km langen Streckennetz rund 4 Millionen Passagiere im Jahr. „Eberswalde ist eine Schlauch-Stadt mit urbaner Struktur. Die Leute müssen den Bus nutzen”, sagt Technik-Chef Stephan Rutscher. Zwölf Fahrzeuge hangeln sich an einer Oberleitung entlang, eines davon ist mit einer Batteriebox ausgestattet und kann auch ohne Strom von oben weiter fahren. Auf einer drei Kilometer langen Strecke fährt der in Polen hergestellte Trollino testweise batteriebetrieben.

Nach Ansicht von Arnd Stephan, Professor an der Technischen Universität Dresden, ist der Verzicht auf Teile der Fahrleitung die Zukunft. Mit Stromspeichern an Bord könne man auf Kreuzungen oder historischen Plätzen auf die ungeliebten Leitungen verzichten und den Obus damit flexibler machen. Für ihn steht fest, das gerade im Busverkehr der Nachholbedarf groß ist. Während die Bahn schon zu 90 Prozent elektrisch rollt, ist es beim Bus nur ein Prozent. Entscheidend für einen Wechsel hin zum Strom sei aber aus seiner Sicht weniger die Umweltverträglichkeit als vielmehr die Effizienz: „Elektrifizierte Fahrzeuge bringen dreimal soviel Leistung wie dieselbetriebene.”

Weltweit sind laut Trolleymotion-Präsident Daniel Steiner mehr als 40000 Elektrobusse in 310 Städten von 47 Staaten im Einsatz des öffentlichen Nahverkehrs. Ihren Ursprung haben sie übrigens in Berlin, wo vor 130 Jahren Werner von Siemens den ersten elektrisch angetriebenen Obus im Grunewald auf die Reise schickte. Im Vergleich zur Straßenbahn schneide der Obus hervorragend ab: Die Kosten pro Fahrkilometer liegen Steiner zufolge mit 3,19 EUR deutlich unter denen der Tram (4,70 EUR) - und in dieser Summe seien die nötigen Investionen in den Gleisbau noch nicht einmal berücksichtigt. „Ein moderner Elektrobus ist eine leistungsstarke Stadtbahn”, sagt Arnulf Schuchmann, Generalsekretär von Trolleymotion. Zumal nicht nur die Investitionskosten weitaus geringer seien, sondern auch Obus-Projekte viel schneller umgesetzt werden könnten als der Bau einer Straßenbahn. Stephan Rutscher aus Eberswalde ist jedenfalls vom Obus überzeugt und glaubt: „Das kann für Frankfurt(Oder) auch noch mal interessant werden.”



Gelenkobus Nr. 063 vom polnischen Typ Solaris Trollino 18 AC, ausgerüstet mit einer Lithium-Ionen-Batterie für bis zu 20 km Fahrt ohne Oberleitung